Vor Jahren habe ich einmal mit einem Vorstandsmitglied eines DAX-Konzernes geredet. Dieser beklagte sich bei mir, dass er eigentlich seit geraumer Zeit den Kontakt zu den realen Entwicklungen in seiner Firma verloren hatte. Er vertraute mir an, dass ihn dieses Schicksal seit seiner Zeit als Bereichsleiter zunehmend ereilte:
Aufgrund seiner exponierten Positionen wurde ihm nicht mehr die Wahrheit gesagt; vielmehr sagten ihm die Menschen in seinem Umfeld, was er aus ihrer Sicht wohl hören wollte.
Da gab es im Mittelalter für diese eher verrannte Situation die Position des Hofnarren. Dieser intelligente und eloquente Zeitgenosse sollte in der Lage sein, Probleme oder kritische Situationen dem Herrscher in verdaulicher und eher belustigender Weise zu unterbreiten und es dem Herrscher freizustellen, daraus seine Schlüsse zu ziehen.
Ich glaube, dass ich in diese Rolle mit Spass und dem benötigten Eifer schlüpfen könnte. Es würde mir eine Freude sein, den Spiegel zu spielen und wichtige Dinge ungeschönt aber verdaulich zu unterbreiten.
Ich glaube aber auch, dass ein jeder in seinem Freundeskreis einen Hofnarren haben sollte. Er verletzt nicht, unterbreitet aber die Wahrheit. Er reflektiert somit und hilft so auch Menschen, die nicht die Fähigkeit zur Selbstreflexion besitzen.
Wäre die Welt nicht ein wenig erträglicher, wenn nicht jeder zu jeder Zeit scheinbar gut gelaunt durch die Welt schreitet, alles gut findet und von Dingen in kürzester Zeit überzeugt und begeistert scheint?
Sehr schönes Thema. Spricht mir aus dem Herzen.
Ich sprach es im Laufe meines Lebens immer wieder aus, daß meine besten Freunde mich nicht in Allem bestätigen, was ich so treibe, sondern mich hart kritisieren, wenn sie etwas nicht in Ordnung finden. Und zwar auch in Sachen, wo es nicht um sie selbst, sondern um ganz andere Menschen geht. Ihre gemeinsame Eigenschaft ist ihre Ehrlichkeit zu mir. Nur so kann ich mich weiterentwickeln.
Für mich ist ein guter Freund zugleich ein klarer Spiegel.